Es gibt in der Psychologie viele Autor:innen und Denker:innen, die sich über das Wesen des Menschen wertvolle Gedanken gemacht haben. Einer der spannendsten „Denker“ in der modernen Psychotherapie ist für mich Viktor Emil Frankl. Sein Denken am Übergang von Psychologie zur Philosophie hat eine ganz eigene Kraft, die an wesentlichen Stellen über das Gros der in der Psychologie vorliegenden Gedanken hinausgeht.
Frankl sieht den Menschen in einer „Dreidimensionalität“:
– Körperliche Dimension
– Psychische/emotionale Dimension
– Geistige Dimension
Alle drei Dimensionen sind wichtig. Die körperliche (somatische) und die psychische / emotionale Dimension ergeben gemeinsam das „Psychophysikum“ – in gewisser Weise den „Zustand“ des Menschen. Im Psychophysikum erleben wir, wie es (körperlich oder psychisch) „geht“. Körper und Psyche stehen natürlich auch in Verbindung und beeinflussen sich wechselseitig (Psychosomatik). Viele Interaktionen der Therapie sowie der Gesundheitsförderung zielen auf diesen Bereich ab: die Verbesserung oder Wiederherstellung des körperlichen oder psychischen Wohlbefindens bzw. der Gesundheit.
Was Frankls denken nun so besonders macht ist seine starke Betonung der geistige Dimension (und Kraft!) des Menschen. Der Begriff Logos verweist darauf.
Ich denke, was Frankl sagen will, ist: Die geistige Dimension macht uns Menschen einzigartig und verleiht uns innere Freiheit. Sie ermöglicht es, uns nicht als Spielball des Schicksals1 zu erleben, sondern uns aktiv zu entscheiden, was im eigenen Leben wichtig ist. Hier kommen ganz einfache, aber wichtige Fragen ins Spiel:
- Wofür lebe ich? (Sinn)
- Was ist mir wichtig? (Werte)
Wenn wir uns darüber Gedanken machen und klarer werden, können wir unser Leben bewusster und eigenverantwortlicher gestalten. Klarheit über Sinn & Werte ermöglicht es uns, eine innere Haltung einzunehmen. Frankl spricht auch davon, sich geistig zu positionieren in Hinsicht auf das eigene Leben und Schicksal.
Eine derart tiefe Frage wie die nach dem „Sinn des Lebens“ beantwortet sich nicht einfach so. Sie kann in ihrer Vielschichtigkeit wohl überhaupt nicht pauschal beantwortet werden. Kleinere Fragen helfen uns weiter:
- Was empfinde ich als wichtig und richtig?
- Wohin zieht mich meine Intuition oder Sehnsucht?
- Was will ich (im Leben) verwirklichen?
- Welche innere Haltung nehme ich ein?
Sinn ist wichtig für das „Lebensglück“. Ein wirkliches Lebensglück wird sich nur ergeben, wenn wir sagen können, dass unser Leben Sinn macht – für uns, für eine Aufgabe, für etwas Größeres, dem wir uns zugehörig fühlen. Die Aufgabe, die das Leben uns stellt, ist die, diesen Sinn immer wieder herauszufinden und unser Leben sinnvoll, wertvoll und lebendig zu gestalten. Denn mit dem Tod, so Frankl, wird unserem Leben endgültig – ab diesem Zeitpunkt lässt sich nichts davon mehr verändern.
Das ist natürlich nur ein kleiner Einblick in Frankl Denken – in meine Auffassung dessen, was er uns sagen und mitgeben wollte. All das klingt anfangs vielleicht kompliziert und irgendwo unverständlich. Frankl zuzuhören kann oft ein wenig sperrig sein. Aber je mehr man sich einlässt, desto mehr kommt neben der Kraft und Disziplin dieses Mannes auch der tiefe Humanismus, die Feinfühligkeit und die Menschenliebe durch.
Wenn ihr jetzt interessiert seid findet ihr unter diesem Link eine Doku zu Frankl auf Youtube.
- Schicksal bedeutet bei Frankl einfach, dass man sich manches im Leben nicht aussuchen, aber immer etwas aus dem Leben machen kann. ↩︎
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